Unsere Vereinsarbeit ist nicht allein auf Kahla beschränkt, sondern, bedingt durch die vielen Opfer, kooperieren und korrespondieren wir mit vielen Institutionen, Historikern, Vereinen und vielen mehr in ganz Europa.
Anja, unser Vereinsmitglied in Belgien, führt hier die Forschung zur Thematik der Zwangsarbeit in der „REIMAHG“ mit viel Engagement, Einfühlungsvermögen und Intensität weiter. Ein ständiger Informationsaustausch, enge Zusammenarbeit und Unterstützung belegen die vielen neuen Ergebnisse dieser, für uns wichtigen Arbeit.
Heute, nach 75 Jahren, gibt es nur noch wenige Überlebende, Zeitzeugen die als Zwangsarbeiter nach Kahla kamen. Sie sind wichtig, um uns ihre Geschichte zu erzählen und damit ein weiteres Puzzlestück zum geschichtlichen Gesamtbild der „REIMAHG“ beizutragen.
Aufgrund unseres landesweiten Aufrufes gemeldet, traf sich Anja mit Eduard Geysen, heute 97 Jahre alt. Er überlebte das Lager in Großpürschütz sowie Lager E in Eichenberg.
Seine Geschichte beginnt am 9. Juli 1944, als man ihn festnahm und über Herentals, Antwerpen und Etterbeek in das Auffanglager nach Weimar deportierte, von wo man ihn kurze Zeit später, am 15.Juli nach Kahla überstellte.
Er kam ins Lager nach Großpürschütz wo er und seine Kameraden bis Ende Dezember 1944 untergebracht waren. Er erzählt, dass die Lebensumstände im Lager sehr primitiv waren. Anfangs schliefen sie nur auf den mit Stroh ausgelegten Fußboden. Von hier gingen sie jeden Tag zu Fuß, als unbewachte Kolonne zum Arbeitseinsatz am Walpersberg. Edouard arbeitete abwechselnd untertage in den Stollen oder beim Startbahnbau auf dem Bergrücken, beides waren schwere Arbeitseinsätze. Was verschiedene andere Zeitzeugen mehrfach erzählten.
Die Verpflegung spielt in der Erinnerung von Eduard eine sehr wichtige Rolle. Unter anderem erzählte er, dass sie zum Frühstück eine Art Kaffee und ein Stück Brot erhielten, das manches Mal mit Belag oder etwas Butter bestrichen waren. Er teilte dieses Brot stets in zwei Hälften, einen Teil aß er sofort, den anderen packte er ein.
Mittags bekamen sie meist eine wässrige Rübensuppe und abends, im Lager einen weißen Brei mit stets schlecht schmeckendem Getränk. Später erhielten sie morgens und abends nur noch Brot.
Ein großes Problem stellte für alle Lagerinsassen der massive Läusebefall dar. Trotz aller Bemühungen sie zu dezimieren, waren sie dennoch überall und alle Gegenmaßnahmen kaum von Erfolg gekrönt.
Eduard lächelte und betonte, dass trotz aller Widrigkeiten die Kameradschaft in der Gruppe sehr stark war und ihnen allen über die schwere Zeit half.
Im Januar 1945 wurden er und seine Kameraden auf Grund von Umstrukturierungsmaßnahmen nach Lager E bei Eichenberg verlegt. Zu Fuß durch hohen Schnee, wurde ihre Vorfreude auf das andere, vielleicht bessere Lager bei Eintreffen schnell gedämpft. Der Lagerführer empfing und beschimpfte sie als Banditen und Saboteure und sagte, dass keiner von ihnen das Lager wieder verlassen würde. Sie stellten schnell fest, dass es hier auch kaum eine Möglichkeit gab, um extra Essen zu organisieren, da es das wichtigste Tauschmittel, den Tabak, nicht mehr gab.
Auffällig für Eduard war die intensive Lagerbewachung durch die SS und oft wurden sie von ihnen sogar nachts wegen Kontrollen geweckt. Edouard erhielt auch mehrmals Schläge von den Bewachern.
Der Winter 1944/45 war sehr kalt. Um sich gegen die klirrende Kälte zu schützen, zog er seine gesamte Kleidung an, darüber einen leeren Zementsack sowie einen Arbeitskittel, den er von einem Deutschen bekam. So angezogen konnte er sich einigermaßen gut gegen die Kälte und allgemein vorherrschende Krankheiten schützen, was leider nicht jeden gelang …
Bei Anmarsch der amerikanischen Armee und dem beginnenden Durcheinander schaffte er es, zusammen mit drei Kameraden Lager E zu verlassen und nach Belgien zurück zu kehren.
Er kam gut zu Hause an und die Wiedersehensfreude war groß. Später besuchte er noch die Eltern eines Kameraden, um ihnen von diesem ein paar Nachrichten zu übermitteln. Leider wusste er zu diesem Zeitpunkt nicht, dass sein Freund nicht überlebt hatte. Es dauerte 74 Jahre, anhand unseres umfangreichen Archivbestandes und der vorangegangen Forschungsarbeit, konnte Anja ihn über das traurige Schicksal seines Freundes informieren.
Wir freuen uns sehr, dass Eduard sich die Zeit für ein Interview nahm, um Anja seine Geschichte zu erzählen. Sie war von ihm sehr beeindruckt und wird ihn wohl nicht vergessen!
Einen herzlichen Dank an Eduard, Conny (seine Tochter) und Anja!