Persönliche Recherchen in den Archiven bringen unerwartet immer wieder neue Erkenntnisse und Zusammenhänge zu Tage, dokumentieren aber auch oft die traurige Wahrheit hinter den Menschen.
So Jules-Marcel Maertens, er wird am 22. Januar 1925 im westflämischen Heule (Belgien) geboren. Er ist der einzige Sohn von Julien (Geboren in Kortrijk, 14. Februar 1895) und Felecitas Maertens (geborene Dutoit, 16. Januar 1884 in Roeselare).
Julien-Marcel bekommt, wie viele andere junge Belgier, im Februar 1944 eine Aufforderung zur Meldung im Werbeamt. So registriert, würde er als Arbeiter ins Dritte Reich geschickt werden. Er verweigert die Anmeldung, was bedeutet, dass er sich nun ständig auf der Flucht befindet und verstecken muss.
Am 10. Juli 1944 wird er entdeckt und von der Gestapo in Gullegem verhaftet. Seine Deportation geht über Brüssel nach Weimar, wo er am 14. Juli 1944 ankommt. Er bleibt dort bis Anfang August 1944, kommt am 5. August nach Kahla ins Lager „Thüringer Hof“ und wird im Januar 1945 ins Lager E bei Eichenberg verlegt. Man setzt ihn zur Arbeit im Stollensystem ein.
Am 20. August 1944 schreibt er an seine Eltern:
„Heute war es sehr ruhig und wir nutzen die Gelegenheit, um mal richtig auszuruhen. Ich habe euren Brief von 9. August gut empfangen, sowie die zwei Päckchen mit Fleisch. Das Gerücht geht um, dass wir demnächst keine Pakete mehr bekommen sollen…
Ich hoffe es geht euch soweit gut und Grüße euch alle und bis bald.”
Viele Grüße von deinem Sohn Jules
Der 23. März 1945 wird ein Schicksalstag für Jules. Er und seine Kameraden erhalten den Befehl, sich für die Arbeit marschfertig zu machen. Jules bleibt liegen und weigert sich aufzustehen. Der Lagerführer, für seine Brutalität von den Lagerinsassen gefürchtet, erhält davon Meldung und kommt persönlich in die Baracke. Es entwickelt sich eine Diskussion in deren Verlauf vermutlich einige, darunter Jules, geschlagen werden. Was spätere Zeugenaussagen bestätigen.
Jules wehrt sich und schlägt zurück. Daraufhin wird vom Werkschutz festgenommen und über mehrere Stunden mit einem Gummirohr geschlagen. Auch dies bestätigen Zeugen.
Schwer verletzt bringt man ihn schließlich ins Krankenrevier des Lagers. Hier bekommt er jedoch nicht die nötige Hilfe, sondern wird auf einem Stuhl gefesselt und ohne Essen und Trinken eingesperrt. Dieser Zustand zieht sich unverändert über mehrere Tage hin. Auch dies wird von Zeugenaussagen belegt. Am 8. Tag bringt man ihn notgedrungen ins Betriebskrankenhaus nach Hummelshain, wo er kurz darauf, am 1. April 1945 an den Folgen der Misshandlungen stirbt. Eine offizielle Sterbeakte haben wir bis heute noch nicht finden können.
Jules wurde 20 Jahre alt.