Nach unserem Aufruf: „Zeitzeugen gesucht“, wurden wir auch von Siegfried S., Jahrgang 1928, geboren in Gotha, kontaktiert.
Als Schüler der Oberschule, gehörte er altersmäßig zum „Deutschen Jungvolk“ und war Fähnleinführer im „Bann 95“.
Jede Ferien wurden er und seine Mitschüler zum Kriegseinsatz verpflichtet. So kamen er und ein Klassenkamerad als 17- jährige im eiskalten Februar 1945 zum Einsatz am Walpersberg an. Untergebracht in einer Baracke, wohl im Zwabitztal, erhielten sie ein Strohbett und 2 Wolldecken. Er erinnert sich sehr gut an die klirrende Kälte und das der Kanonenofen in der Mitte der Baracke stets von einem Jungen mit Holz und Kohlen geheizt werden musste, auch die Nacht hindurch.
Er erzählt, dass ihre Tage von harter Arbeit geprägt waren. Der Weckruf für alle morgens 6 Uhr ertönte. Zum Waschen ging es in eine andere Baracke, die jedoch nicht geheizt war. Ein Junge holte inzwischen in großen Blechkannen Kaffee aus der Küche, bevor die Befehle „Raustreten“, „Antreten“ ertönten und es zu Fuß mit Hacke und Schaufel auf die Startbahn ging. Gearbeitet wurde bis Mittag und der Befehl „Antreten zum Essenempfang“ eine Pause versprach. In der Küchenbaracke erhielten alle in einem Essgeschirr meist Pellkartoffeln, Soße, Fleisch und Gemüse. Nicht jeder von ihnen fand Platz in der Baracke, weshalb viele draußen in der Kälte standen, und versuchten im Schutz der Baracke, an die Wand gepresst, schnell ihre Mahlzeit zu sich zu nehmen. Arbeitsschluss war am Abend, wenn es bereits dunkel war.
„Ich erinnere mich, dass wir einmal in die unterirdischen Stollen kamen. Der Grund lag wohl in einem Alarm, der uns HJ verpflichtete, sofort die Stollen aufzusuchen. Hier sahen wir viele „Fremdarbeiter“, man sprach von einer „Wunderwaffe“, einem „Heinkel-Düsenjäger“ der hier gefertigt wurde. Vom Aussehen der Menschen war ich zutiefst erschüttert, so etwas hatte ich noch nicht gesehen. Den Anblick habe ich nie vergessen.
Nach 10 Tagen Arbeit auf der Startbahn wurden wir gefragt, wer bereit wäre Kurierdienste zu leisten. Ich meldete mich. Mein erster Auftrag brachte mich mit der Reichsbahn nach Breslau-Hundsfeld zu Rheinmetall-Borsig. Ich begleitet von dort bis zum Walpersberg allein den Transport von 5 großen Kisten. Mehrmals umgeladen kam ich in Kahla mit nur noch 4 Kisten an. Ich sah mich schon im KZ, doch niemand interessierte sich für die fehlende Kiste. Mein zweiter Auftrag führte mich nach Berlin, der noch in Bahnhofsnähe mit einem Fliegeralarm begann und ich mit vielen anderen in einen Luftschutzbunker flüchtete, wo man mir irgendwann die Mütze vom Kopf stahl. Jedoch ging die Transportbegleitung reibungslos zurück und ich durfte nach 3 Tagen endlich wieder nach Hause.“