Steffi Brion aus Kahla ist unsere Thüringerin des Monats März. Die 71-Jährige will gegen das Vergessen ankämpfen und erinnern – vor allem an die Tausenden Zwangsarbeiter des “Reimahg” Rüstungswerks bei Kahla im Zweiten Weltkrieg. Gemeinsam mit ihrem Verein hält sie die Erinnerungen an die Opfer wach – und das alles ehrenamtlich.
Sie helfen dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden: Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren. Um ihre Arbeit zu würdigen, küren MDR THÜRINGEN und die Thüringer Ehrenamtsstiftung jeden Monat den “Thüringer oder die Thüringerin des Monats”. Im März geht die Auszeichnung an Steffi Brion aus Kahla. Sie setzt sich dafür ein, dass Geschichte nicht vergessen wird.
1979 hat Steffi Brion begonnen, auf der Leuchtenburg zu arbeiten. Nebenbei hat sie sich auch im Traditionskabinett in Kahla eingebracht. In Leipzig hat die heute 71-Jährige Museologie studiert und ist seitdem Diplom-Museologin.
Gegen das Vergessen – Opfer der “Reimahg”
In den Jahren 1944/1945 war die “Reimahg”, Abkürzung für Reichsmarschall Hermann Göring, ein unterirdisches Rüstungswerk im Walpersberg bei Kahla. Dort wollten die Nazis die Messerschmitt Me 262 produzieren, der erste in Serie gebaute Strahljäger. Für die Produktion wurden etwa 12.000 Zwangsarbeiter aus ganz Europa nach Kahla deportiert. Etwa 2.000 von ihnen starben an den Torturen.
Heute beschäftigen sich zwei Vereine in der Region mit der Geschichte des ehemaligen NS-Rüstungswerkes und dem Schicksal der dortigen Zwangsarbeiter – der “Geschichts- und Forschungsverein Walpersberg” in Großeutersdorf und der Förderverein “Mahn- und Gedenkstätte Walpersberg” in Kahla.
Seit 20 Jahren ist Steffi Brion die Vorsitzende dieses Fördervereins. Während dieser Zeit hat sie den Verein in Hunderten von Stunden ehrenamtlicher Arbeit geführt. Dazu gehörten Gespräche mit Behörden, Recherchen im Archiv und die Organisation der jährlichen Gedenkfeier für die Opfer der “Reimahg”.
Gemeinsam mit ihrem Verein will Brion daran erinnern, wie grausam und tragisch die Geschichte der “Reimahg” war und wie viele Menschen darunter leiden mussten. Damit wollen sie verhindern, dass sich Geschichte wiederholt. “Das ist eine Geschichte, die sich jederzeit wiederholen kann. Und zu wissen, was aus so etwas entstehen kann, welches Leid für viele Menschen. Daran zu erinnern, dass man das nicht noch einmal erleben möchte – das ist unser Anliegen”, mahnt die gebürtige Kahlaerin.
Die Mitglieder des Fördervereins sind wahnsinnig stolz auf ihre Steffi. “Sie ist immer da. Sie hat in alle Richtungen Kontakte und Drähte. Sie ist eigentlich omnipräsent. Sie lebt das”, sagt Vereinsmitglied Susanne Geier. Es mache immer Freude, Steffi zu helfen und sie bei ihren Projekten zu unterstützen. Kennengelernt hat Susanne Geier Steffi durch eine Führung auf dem Walpersberg.
Auch Bürgermeister Jan Schönfeld war mit dabei, als Steffi mit der Auszeichnung “Thüringerin des Monats” überrascht wurde. Er ist froh, dass es Menschen wie sie gibt, die sich ehrenamtlich für ihre Stadt einsetzen. “Und dann ist sie natürlich auch rundrum mit der ‘Reimahg’-Geschichte beschäftigt und organisiert dort viele Dinge, die wir als Stadt so gar nicht könnten, wo uns einfach die Kraft fehlt, das zu tun. Aus dem Grund alleine hat sie es schon verdient, diesen Preis zu gewinnen”, sagt der Kahlaer Bürgermeister stolz. Im Namen des Stadtrates und der Stadt dankt er Brion für ihre jahrelange Arbeit und ihr unermüdliches ehrenamtliches Engagement und gratuliert ihr zur Auszeichnung.
Ehrenamtliche Arbeit im Stadtmuseum Kahla
Mit dem Stadtmuseum hat sich die gebürtige Kahlaerin schon immer verbunden gefühlt. Seit mehreren Jahren führt und betreut sie das Museum in Kahla ehrenamtlich. Die Diplom-Museologin arbeitet Wechselausstellungen aus, archiviert, rastauriert eigenhändig viele Fundgegenstände und forscht zur Gesichte der Stadt.
Daran begeistert sie vor allem, dass die Geschichte so alt ist und bereits in der Ur- und Frühgeschichte beginnt. Damals seien Jäger und Sammler durch die Region gezogen, erzählt Brion. Die sogenannte “Alte Burg” in Kahla, ein Bergsporn etwa 25 Meter über der Saale, wurde von ihnen als Rastplatz genutzt. Später habe sich daraus ein Handelsplatz etabliert. “Man hat in dieser Stadt eigentlich unheimlich viel an Geschichte zu erleben”, sagt Brion begeistert. Dazu gehören für sie die unterirdischen Keller, die drei bis vier Etagen tief in die Erde gehen.
Aber auch die Hinterhöfe Kahlas faszinieren die Diplom-Museologin. “Was auch keiner weiß: Es gibt wundervolle Hinterhöfe, die wirklich zum Träumen einladen. Man muss sie nur finden”, schwärmt sie. Denn die meisten von ihnen sind in privatem Besitz. Aber wer nett fragt, so Steffi, dem wird ein Blick in die Innenhöfe nicht verwehrt. Steffi hat viele interessante Geschichen über die Stadt Kahla zu erzählen. Einige davon gibt es als Ausstellungen Stadtmuseum zu sehen.
Mit dem Stadtmuseum in Kahla verbindet Steffi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. “Wie sagte schon Goethe: Auch aus Steinen kann man was Schönes bauen. Und ich baue aus Erfahrung, aus Geschichte Ausstellungen für die, die sich dafür interessieren”, lächelt Brion. Vor allem Schülerinnen und Schüler lädt sie ein, ihren Geschichtsunterricht einmal im Stadtmuseum zu verbringen. Denn für Brion steht fest: “Vergangenheit ist wichtig, damit man weiß, wie man in die Zukunft geht.”
„Vergangenheit ist wichtig, damit man weiß, wie man in die Zukunft geht.“
— Steffi Brion, Thüringerin des Monats März